Das Utopia von morgen, also jene schöne neue und bessere Welt mit mehr Rechten für das Individuum, weniger Staat, mehr Demokratie, mehr Privatsphäre und noch mehr persönlicher Bequemlichkeit durch intelligente, internet-basierte Geräte, jenes Utopia wird derzeit von vielen Experten gerne mit der blockchain-basierten Welt der “Internet-der-Dinge/Internet-of Things (IoT)” und Krypto-Ökonomie gleichgesetzt. Aber ist das so? Haben Blockchain-Konzepte tatsächlich das Potenzial für ein Utopia mit gerechtem und nachhaltigem Wirtschaftssystem?
Kryptographie und Algorithmen
Nun, die Grundannahme stimmt jedenfalls! Blockchain-Konzepte ermöglichen eine dezentrale, demokratische und global vernetzte Welt auf “Peer-to-Peer” Basis. Mittels kryptographischer Technologien lassen sich über Blockchains sogenannte “trustless and distributed consensus systems” aufbauen, also Transaktionen ohne MIttelsmänner wie Banken oder Behörden direkt zwischen den Teilnehmern abwickeln. Die Transaktionen finden direkt zwischen den Beteiligten der Blockchain (Peers) statt und werden von anderen Teilnehmern bestätigt (Miner oder Validatoren) und in einem öffentlichen und über alle Teilnehmer verteilten Hauptbuch (Public Ledger) verzeichnet. Transparent und unveränderlich.
Nach dem Motto “Alle Macht den Teilnehmern der Blockchains” ist diese neue Welt theoretisch effizienter, weil eben die “middle men” ausgespart, durch Algorithmen ersetzt und damit Kosten, Zeit und Ressourcen eingespart werden. Transparente, effiziente Algorithmen ersetzen ineffiziente Organisationen, Disruption nach der reinen Lehre. Der Kuchen für die Teilnehmer der Blockchains ist demanch größer. Klingt soweit konsistent und nachvollziehbar, richtig?
Marktwirtschaftliche Mechanismen der frühen Krypto-Ökonomie
Seit Adam Smith wissen wir, dass in einer perfekten Welt mit einer freien Marktwirtschaft die faire Preisbildung für Güter nur in einer atomistischen Wettbewerbsstruktur mit vielen Anbietern über den zentralen marktwirschaftlichen Algorithmus “Preisfunktion” stattfindet. Der einzelne Anbieter verfügt in einem vollkommenen Markt nicht über ausreichend Marktmacht, um Preise zu bestimmen. Wir haben über die letzten 200 Jahre gesehen, dass die freie Marktwirtschaft die Tendenz zur Monopol- und Oligopolbildung hat. Über Kartellbildungen unter Anbietern lassen sich für die beteiligten Organisationen die Preise und Gewinne zu Lasten ihrer Kunden und Lieferanten optimieren. Monopole und Oligopole sind damit die Anti-These zur freien Marktwirtschaft und verringern den allgemeinen volkswirtschaftlichen Wohlstand zu Gunsten einiger großer Marktteilnehmer. Kann eine Blockchain-basierte Krypto-Ökonomy (Crypto-Economy) daran etwas ändern?
Mit einem Blick auf die Geschichte der Bitcoin-Blockchain und damit auf die Frühphase der Krypto-Ökonomie ist die Antwort auf diese Frage ein klares “NEIN”. In der reinen Theorie sollen die Transaktionen zwischen den Teilnehmern der Bitcoin-Blockchain über einen sogenannten “Proof-of-Work” Konsensus-Algorithmus bestätigt werden. Kursorisch dargestellt werden in der Bitcoin-Blockchain Transaktionen zwischen den Teilnehmern von anderen Teilnehmern zu sogenannten “Blocks” zusammengefasst, geprüft und bestätigt. Diese Bestätigung (confirmation) basiert auf kryptografischen Algorithmen (Hashfunktionen) mit integrierten Zufallsmechanismus. Sehr vereinfacht dargestellt muss dabei mit den Inputdaten (die Transaktionsdaten) eine zufällige Zahl errechnet werden, die unter einem vorgegebenen Schwellwert liegt. Da eben ein Zufallselement eingebaut ist, bedarf es einer Vielzahl von “try and error” Rechnungen bevor man das richtige Ergebnis vekommt. Je mehr Rechnerleistung in diese Aufgabe investiert wird, desto kürzer wird die Zeit die es benötigt, um die richtige Zahl zu finden. Mehr Rechnerleistung bedeutet mehr Strom.
Jene Teilnehmer der Bitcoin-Blockchain, die sich auf die Bestätigung von Transaktionen und die damit verbundene Generierung von “Blocks” spezialisiert haben, werden als “Miner” bezeichnet. Miner erhalten in der Bitcoin-Blockchain als Belohnung für die Generierung eines neuen Blocks neue Bitcoins (BTC), derzeit 12,5 BTC pro Block.
Diese Miner stehen bei der Generierung von Blocks in einem globalen Wettbewerb wobei der Schnellste gewinnt, also regelmäßig jener Miner mit der stärksten Rechnerleistung. Die Formel zum Erfolg eines Miners lautet daher “Mehr Rechnerleistung, mehr Strom, mehr Bitcoins, mehr Einkommen“. Das Bitcoin-Mining mit seinem “Proof-of-Work” Algorithmus ist ein kapitalintensives Geschäftsmodell mit den beiden Kostenfaktoren “Hardware/Rechner” und “Strom/Energie”. Vor allem letzteres ist der wettbewerbsentscheidende Kostenfaktor
Komparative Kostenvorteile und Kartelle
Das Mining ist die infrastrukturelle Grundlage der Bitcoin-basierten Krypto-Ökonomie, in ihrer Bedeutung vergleichbar mit dem Erdöl und der Petrochemie für die Instrielle Wirtschaft. An dieser Stelle sind wird mit dem altbekannten Problem einer global ausgelegten Ökonomie konfrontiert – jenes der der komparativen Kostenvorteile einzelner Regionen. Dieses Problem hat der englische Ökonom David Ricardo bereits im frühen 19. Jahrhundert erkannt und dargelegt, dass jene Staaten bzw. Regionen im globalen Wettbewerb gewinnen, die über komparative Kostenvorteile verfügen.
In der Bitcoin-Ökosphere sind beispielsweise die Stromkosten in China deutlich niedriger als jene in der westlichen Hemisphäre, d.h. die chinesischen Miner haben signifikante Standort- und Kostenvorteile gegenüber Minern aus Europa oder Nordamerika. Miner in China zahlen ungefähr US-$ 0,04 pro kWh, das sind nur rund 20% jener Kosten die ein Miner in Deutschland oder der Schweiz zu zahlen hat, wo umgerechnet US-$ 0,25 pro kWh verlangt werden (Quelle: Wikipedia, Electricity Pricing). Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass in China mehr als 60% aller Bitcoin-Blocks geschaffen (Transaktionen bestätigt) werden. Die chinesichen Miner kooperieren darüber hinaus über Absprachen, d.h. man kannihre Pools kann man durchaus als Kartell qualifizieren,
Die Bitcoin-basierte Krypto-Ökonomie ist geopolitisch & oligopolistisch geprägt und wird dominiert von einigen großen Mining-Pools in China. Das ist nicht jener perfekte, dezentrale und wohlstandsfördernde Wettbewerb, den man einem Utopia zusprechen möchte.
Ökologie und Krypto-Ökonomie
Unser Utopia erhebt nicht nur Anspruch auf eine gerechtere Wirtschaft, sondern auch auf eine ökologisch nachhaltige Grundlage. Der “Proof-of-Work” Algorithmus der Bitcoin-basieren Krypto-Ökonomie ist ganz offensichtlich (derzeit) nicht geeignet für eine marktwirtschaftlich funktionierende Krypto-Ökonomie und definitiv auch keine ökologisch sinnvolle. Im Gegenteil, der digitale “Proof-of-Work” Algorithmus hinterlässt einen bemerkenswerten “Carbon Footprint“. Für die Erzeugung der Mining-Rechner und die Produktion des benötigten Storms werden beachtliche Mengen fossiler Energieträger konsumiert.
Der Umweltforscher und Bitcoin-Enthusiast Sebstiaan Deetman schätzt, dass eine einzige Bitcoin-Transaktion in etwa soviel Strom benötigt wie 1,6 US-amerikanische Haushalte am Tag (Quelle: Motherboard). Bliebe die Bitcoin-Ökonomie auf diesem mit ihrem “Proof-of-Work” auf diesem Entwicklungspfad, dann würde die Bitcoin-Blockchain im Jahr 2020bereits soviel Strom benötigen wie Dänmark.
Erstes Fazit
Weder marktwirtschaftlich noch ökologisch genügt die frühe, Bitcoin-basierte Krypto-Ökonomie meines Erachtens den Ansprüchen ihrer Evangelisten an ein Utopia, eine bessere Welt. Gegenteilige Meinungen würde ich gerne diskutieren.
Es scheint auch klar, dass der “Proof-of-Work” Algorithmus nicht jener effiziente “Preisalgorithmus” für effiziente kryptografische Märkte ist, den es benötigt. Das ist kein Anlass für Besorgnis. Wir stehen erst am Beginn der Krypto-Ökonomie, neue Konzepte wie beispielsweise “Proof-of-Stake” werden bereits versucht, um Utopia einen Schritt näher zu kommen. Davon mehr in einem nächsten Beitrag.